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Von Hygieneartikeln und Hierarchien: Wie steht es bei uns um die Gleichberechtigung?

// Meinung Protest beim internationalen Frauentag mit Plakaten

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an den 08. März denken? Für viele ist das nur ein weiterer Tag im Kalender, kurz vor den vielen Feiertagen, die ab Ostern beginnen. Für mich beginnt die Zeit der großen Feste schon dann.

Heute, am 08. März, ist Internationaler Frauentag. An diesem Tag stehe ich für meine eigene Gleichberechtigung als (junge) Frau ein - sowohl im Beruf als auch im Privatleben. Doch ich gehe auch für die Frauen auf die Straße, die im Iran noch immer täglich ihr Leben für ihre Grundrechte riskieren. Für die Frauen, die Opfer von Femiziden geworden sind (im Jahr 2021 waren es 109 Todesfälle in Deutschland, Tendenz steigend). Für die Mütter, die den Großteil der Care-Arbeit leisten und damit ihre eigene Altersarmut riskieren – um nur ein paar Beispiele von Diskrimierung gegenüber Frauen zu nennen.

Doch heute möchte ich gar nicht über die großen (und sehr wichtigen) Themen sprechen, sondern möchte aus meiner Sicht aufzeigen, wie patriarchale Strukturen die scheinbaren „Kleinigkeiten“ unseres Alltags und unseres Handelns beeinflussen.

Attention, please!

Ein kleiner Disclaimer vorweg: Ich möchte im Folgenden nicht speziell Männer verantwortlich machen und zu Sündenböcken erklären. Vielmehr möchte ich alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter und sozialer Klasse zum Nachdenken anregen. Diskriminierung beginnt im Kleinen und keimt dort weiter. Auch möchte ich vorab erwähnen, dass man(n) bei LOOK//one immer zuhört, offen für Kritik ist und diese auch umsetzt.

So, wo wir das geklärt haben, kann ich ganz ungeniert loslegen: Bei LOOK//one arbeiten insgesamt 31 Menschen. 21 davon sind weiblich, 10 männlich. Man könnte somit vermuten, dass patriarchale Strukturen sowie veraltete Vorteile und Denkmuster hier keinen Platz haben. Dies ist in vielerlei Hinsicht auch der Fall: So haben wir beispielsweise eine gleichberechtigte Verteilung der Führungskräfte, in Bewerbungsverfahren achten wir ausschließlich auf Kompetenzen und nicht auf Geschlechter und Ethnien und wir akzeptieren kompromisslos jede Geschlechtsidentität und Sexualität. Dennoch bin ich in meinen knapp zwei Jahren bei LOOK//one auf den internalisierten Sexismus gestoßen, den wir alle in uns tragen und der mir persönlich lange Zeit gar nicht bewusst war. 

Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Vor ein paar Monaten hatten wir mit der gesamten Agentur eine Diskussionsrunde zum Thema Gendern. Manche Kollegen und Kolleginnen haben das schon von sich aus gemacht, andere nur im beruflichen Kontext und wieder andere hatten sich damit noch gar nicht näher befasst. In dem Termin ging es darum, das zu vereinheitlichen, damit wir auch nach außen ein ganzheitliches Bild abgeben. So weit, so gut. Am Anfang des Termins wurde die Frage gestellt, wer von den Frauen, denn darauf besonderen Wert legen würde. Selbstverständlich hob ich den Finger und war überrascht, dass ich neben meinem nur zwei weitere Finger in der Luft sah.

Neben meiner persönlichen Überzeugung, dass Sprache Sichtbarkeit schafft, ging es mir in dieser Diskussion auch um die Pflege eines gewissen Zeitgeistes und die Offenheit für Neues. Gerade ersteres wurde von vielen Anwesenden nicht ernst genommen und stattdessen wurde mit der sprachlichen Schwierigkeit argumentiert – Schocker Nr. 1!

Nach intensiver Diskussion einigten wir uns auf ein paar Regeln, mit der alle zufrieden waren. Doch Schocker Nr. 2 ließ nicht lange auf sich warten: Kurz darauf wurde vermehrt und bewusst misgendert – ob aus Provokation oder Frustration, weiß ich nicht. Im Endeffekt spielt das auch keine Rolle. Es zeigt deutlich, dass Frauen selbst Frauenfeindlichkeit in sich tragen, ohne sich dessen bewusst zu sein, auch wenn das nur ein sehr kleines Problem im Rahmen der vielen Missstände ist.

Hygieneartikel & Hierarchien

Ein anderes, scheinbar banales Beispiel ist eine Situation, die ich mit einem meiner männlichen Kollegen auf der Weihnachtsfeier hatte. Kurz zuvor wurden allen menstruierenden Personen kostenlose Hygieneartikel zur Verfügung gestellt. Darüber habe ich mich nach zwei, drei Gläsern Wein gefreut und gesagt, dass die Frage, ob diese immer und überall kostenlos sein sollten, schon längst überholt sei. Schließlich haben wir uns das ja nicht ausgesucht und ernten nebenbei zahlreiche andere Nachteile; die finanzielle Belastung sollte kein weiterer sein. Der Kollege schaute mich verwundert an und war sich der Umständen gar nicht bewusst. In meinem leicht alkoholisierten Zustand fing ich an, darüber zu philosophieren, dass genau deshalb der Feminismus und die ständige Aufklärung darüber so wichtig für uns als Gesellschaft sind.

Auch wenn ich es heute und im nüchternen Zustand etwas anders machen würde, besteht der Punkt weiterhin. Männer sind sich der Hürden oft gar nicht bewusst, bis man sie ihnen klar vor den Kopf wirft. Das kann, gerade im Arbeitskontext, nicht ganz einfach sein. Meiner Meinung nach lohnt es sich dennoch. Nur weil wir nach kostenlosen Hygieneartikeln gefragt haben, haben wir diese auch bekommen und nur wenn wir Gleichberechtigung auf jeder Ebene einfordern, werden wir diese erhalten. Der nächste Schritt ist jetzt, Bewusstsein zu schaffen, damit Männer bald eigenständig feministisch handeln und diese Denkmuster annehmen.

The only way is up

Wer sich auf unserer Web- und Teamseite aufmerksam umschaut, wird feststellen, dass wir derzeit zwei Geschäftsführer haben, die beide toll und offen für Veränderungen sind, denn sonst gäbe es LOOK//one nicht seit 30 Jahren. Wer noch ein Stück aufmerksamer ist oder uns schon lange verfolgt, weiß auch, dass es mal vier Geschäftsführer waren. Na, fällt Ihnen was auf? Genau, es waren und sind ausschließlich Männer. Natürlich mag die Wahl dessen andere Gründe gehabt haben, wie gesagt, beschäftigen wir Leute nach Kompetenzen und nicht nach Geschlecht. Dennoch führt es dazu, dass ich mich in manchen Situationen nicht repräsentiert fühle oder ich mich manchmal nach einer Frau sehne, mit der ich Herausforderungen besprechen und lösen kann.

Ich persönlich kann mich Frauen gegenüber eher öffnen und auch besser Fehler oder Schwächen eingestehen. Mir wurde beigebracht, immer seriös, verlässlich und kompetent zu handeln, um professionell zu sein. Diese Eigenschaften werden meiner Erfahrung nach besonders von Männern geschätzt. Bei Frauen in Führungspositionen habe ich oft das Gefühl, dass sie besser trennen können, dass meine Emotionalität nicht meine Professionalität beeinflusst. Deshalb ein kleiner Appell: Sollte die Erweiterung der Geschäftsebene jemals im Raum stehen, nehmt doch gerne eine Frau in euren Kreis auf!

Losgelöst von kritischen Aussagen und Vorurteilen externer Personen ist deutlich, dass ich für zwei Jahre LOOK//one ganz schön wenig „zu meckern“ habe. Dennoch: The only way is up und ich bin schon gespannt, welche Veränderungen bis zum nächsten Weltfrauentag geschehen werden.

(Foto: Giacomo Ferroni / Unsplash)

Der Internationale Frauentag ist für mich eine Zeit, in der ich für meine eigene Gleichberechtigung und die anderer Frauen eintrete. Trotz Fortschritten sehe ich weiterhin patriarchale Strukturen im Alltag wirken. Deshalb ist es wichtig, sich des internalisierten Sexismus bewusst zu sein und konsequent Bewusstsein zu schaffen.