Ein Manifest für etwas weniger Online-Shopping und den bewussten Einsatz des Jetzt-Kaufen-Buttons
Das Thema wird mir immer in der Weihnachtszeit besonders bewusst. Wir Deutschen sind kein Volk der Einkäufer mehr. Wir sind eine Nation der Besteller. Online. Und zwar immer mehr und immer öfter. Waren es früher, also ab Mitte der 90er, nur ausgewählte Bücher und CDs, die man im lokalen Einzelhandel beim besten Willen nicht bekam, sind es heute sogar die Batterien für die Fernbedienung des Plasma-TV, weil der Weg zum nächsten Drogeriemarkt scheinbar schon eine Zumutung ist. Das hat Folgen. Für den Handel. Für die Menschen. Für die Städte. Der in der zweiten Reihe haltende Lieferwagen ist das Symbol der digitalen Konsumgesellschaft.
Und ich so?
Ich will mich da gar nicht ausnehmen. Ich LIEBE Onlineshopping. Den größten Teil meiner Jazz-Sammlung verdanke ich einem Anbieter namens CD Now, der mir so um 1995 klassische Aufnahmen aus den 50er- und 60er-Jahren lieferte, die ich in Deutschland weder bei Saturn, noch W.O.M und auch nicht bei jpc einkaufen konnte. Und ich finde es außergewöhnlich praktisch, wenn mir DHL die Hosen einer bestimmten Marke ins Büro liefert, weil ich diese in Hannover gar nicht bekomme.
So weit so gut. Aber muss ich mir in Deutschland, wo an jeder dritten Ecke ein Supermarkt steht, meine Lebensmittel liefern lassen? (Okay, wenn ich 80 bin und im fünften Stock lebe, vielleicht.) Muss ich mir von Fahrradkurieren Dönertaschen aus der Bude zwei Blocks weiter nach Hause bringen lassen? Ach nee. Dafür lasse ich mich viel zu gern in Super- oder auf Wochenmärkten inspirieren. Oder im Restaurant meiner Wahl verwöhnen ohne hinterher Berge von Verpackungsmüll entsorgen zu müssen.
Hand aufs Herz ...
Aber man kann es nicht leugnen, unsere Gesellschaft wandelt sich. Mein Sohn, heute noch nicht ganz fünf, wird wahrscheinlich sein erstes Taschengeld online verpulvern. (Ich werde versuchen, das zu verhindern.) Und es gibt sie doch noch, die schönen Konsumtempel in den Innenstädten. Sehr persönlich: Emma, donna, Michael Jondral und Parfümerie Liebe in Hannover. Etwas größer: KaDeWe, Alsterhaus, Oberpollinger, Ludwig Beck oder Breuninger anderswo, toll. Letzterer, seit langem bekannt für seine außergewöhnlichen schönen Läden und die vielen Vor-Ort-Services, macht mittlerweile 20% seines Umsatzes online. Fast 25% der Deutschen gaben in diesem Jahr an, ihre Klamotten »überwiegend« bei Amazon zu kaufen. Na toll ... Sagt ja auch eine Menge über das Bild in deutschen Fußgängerzonen aus.
Die Zeit dreht man nicht zurück ...
Ich plädiere daher einfach nur für einen bewussteren Umgang mit all diesen Internetbestellungen. Einfach mal überlegen, ob das, was man online bestellen will, nicht einfach mal offline gekauft werden kann. Sonst wird der einst beliebteste Ausbildungsberuf in Deutschland, der Einzelhandelskaufmann, abgelöst vom wahrscheinlich unterbezahltesten Job der Welt, dem Paketboten. Und das spräche nun wirklich nicht für das Land der Dichter und Denker ... Sobald ich diesen Text online gestellt habe, fahre ich übrigens in die Stadt. Weihnachtsgeschenke kaufen.
(Fotos: Pexels.com, Statista)
Man schreit vor Glück, wenn der Style gefällt. Es heißt drei, zwei eins, dann ist es meins. Am Ende kommt aber immer der Bote und bringt ein Paket. Online-Shopping ist das neue Hobby der Deutschen, könnte man wirklich denken, wenn man die vielen Kastenwagen der Zusteller in den Straßen sieht. Und vor Weihnachten ist es besonders schlimm. Sollten wir nicht einfach mal offline in die City gehen und dort unsere Geschenke shoppen? Hat was für sich, finde ich.