Nach wie vor sind Agenturen in der Außenwahrnehmung aber auch im Selbstbild geprägt vom »Kreativen«. Texte mit Esprit, überraschende Visualisierungen, Design weit jenseits der Hausmannskost sollen es sein. Und interaktiv wird’s erst, wenn hinter jedem Klick mindestens ein Salto gedreht wird.
Mit dem Mund geschnitzt
Und dann gibt's da noch das eigene Arbeitsethos – als vermeintliche Erwartung vom Kunden und als Anspruch an uns selbst: mindestens drei Ideen, wenn nur eine gefordert ist. Farbechte Abbildungen, auf drei Stellen hinter dem Komma kalibriert. Gedrucktes, das man als Handschmeichler abends mit ins Bett nehmen möchte. So fein produziert, dass es mit weißen Handschuhen berührt werden will. Und möglichst gut duften muss es auch noch.
Achtung: Auftrag!
Wenn dann der Anruf aus dem Konzernmarketing kommt, dreht der Wind steif auf Nord-Ost. Es geht plötzlich um Kosten, ROI, Timings, messbare Ergebnisse, Skalierbarkeit und Multichannel-Fähigkeit. Bäm!
Denn dies sind die ganz elementaren Eigenschaften einer professionellen, ergebnisorientierten Kommunikation, wie wir sie für unsere Kunden entwickeln dürfen. Was sich oft ganz weit jenseits der oben skizzierten klassischen Tugenden ambitionierter Agenturarbeit abspielt.
Das Gap zwischen kreativer Identität und harten Vertriebszielen erfolgreich zu schließen, also die unabdingbare Inspiriertheit und das kreative Talent zu nutzen, um nicht in erster Linie ästhetische und wertvolle, sondern vor allem wirksame Kommunikationsmittel zu entwickeln, ist die Herausforderung an uns als Agenturmenschen.
Es transformiert sich doch.
Wie hat die Digitalisierung unsere Branche und unser Leistungsportfolio transformiert? Werbeergebnisse sind heute schnell, kontinuierlich und mit geringem Aufwand messbar. Die technische Realisation ist durch leistungsstarke digitale Produktionsmittel nicht mehr nur Elitenwissen. Und ein schier endloser Bestand an Stockmaterial und Templates macht aus dem goldenen Einzelstück eine geringwertige Variante von vielen.
Und viel von allem braucht es ausdrücklich, denn unser Medienkonsum ist um Potenzen fragmentierter und schnelllebiger geworden. Da ist kaum noch Platz für das goldene Keyvisual mit dem einen Claim, der voll auf die Zwölf geht! Wir kommunizieren ständig, nicht mehr nur in zeitlich klar begrenzten Flights. „Grundrauschen" ist das Zauberwort der Zeit.
Die Digitalisierung hat seit Ende der 80er eine ganze Branche von hochspezialisierten Handwerkern und Wortakrobaten zu Contentproducern und Marketingspezialisten werden lassen. Berater wurden zu Data-Analysten und Mediaprofis zu Channelmanagern. In den Köpfen und Herzen ist dabei häufig noch das alte Identifikationsmuster als Klischee lebendig geblieben, an dem sich jetzt die Realität reibt.
Es war die Transformation im Geiste, vor der wir alle als ProduktionerIn, DesignerIn, TexterIn und BeraterIn standen. Die uns heute breiter aufstellt, als jemals zuvor, uns ganzheitlich denken lässt. Und jede/n von uns zu einer interdisziplinären Marketing-Geheimwaffe im Dienste unserer Kunden macht. Ganz lustvoll und äußerst agil.
Foto: Matteo Orlandi, Pixabay
Ich freue mich immer besonders darüber zu sehen, wie sich durch die professionelle Erfahrung der „alten Hasen" und das frische Skillset mit neuem Medienverständnis des „jungen Gemüses" harmonische Teams zusammentun, die dann zu ganzheitlichen Ergebnissen mit höchster Qualität und bester Performance kommen.